KI im Bewerbungsprozess – kein Zukunftsthema mehr
Noch vor wenigen Jahren klang es wie Science Fiction: Maschinen, die Bewerbungen schreiben, Vorstellungsgespräche analysieren oder sogar Entscheidungen über Bewerberinnen und Bewerber treffen. Heute ist all das Realität – oder zumindest in vielen Unternehmen auf dem Weg dorthin.
Wer sich derzeit bewirbt, wird früher oder später mit KI in Berührung kommen. Oft geschieht das, ohne dass man es merkt. Umso wichtiger ist es, zu verstehen, wie Künstliche Intelligenz im Bewerbungsprozess wirkt – und wie Sie klug damit umgehen können.
Was ist KI – und was bedeutet sie konkret für Bewerbungen?
Künstliche Intelligenz (KI) bezeichnet Systeme, die aus Daten lernen und eigenständig Entscheidungen oder Vorschläge generieren.
Im Bewerbungsprozess begegnet sie uns in zwei Formen: als Werkzeug für Bewerberinnen und Bewerber (z. B. Textgeneratoren wie ChatGPT) und als Instrument von Unternehmen, etwa bei der Vorauswahl von Kandidatinnen und Kandidaten.
Wichtig zu wissen: KI ersetzt nicht den gesamten Bewerbungsprozess, sie verändert ihn – an vielen Stellen tiefgreifend.
Bewerbungen für Maschinen schreiben: CV Parsing & ATS-Systeme
In vielen größeren Unternehmen werden Bewerbungen heute nicht mehr zuerst von Menschen gelesen, sondern von sogenannten Applicant Tracking Systems (ATS). Diese Software analysiert Lebensläufe und Motivationsschreiben auf bestimmte Begriffe, Strukturen und Kriterien. Dieser Prozess nennt sich CV-Parsing nennt.
Hinweis: In Österreich wird üblicherweise von „Bewerbungsschreiben“ oder „Motivationsschreiben“ gesprochen. Der aus Deutschland kommende Begriff „Anschreiben“ setzt sich zwar bei uns auch mehr und mehr durch, trägt aber den Sinn des Schreibens meines Erachtens viel zu wenig in sich, weshalb ich ihn vermeide. Eine ausführliche Erklärung dazu finden Sie hier: Motivationsschreiben und Anschreiben stiften Verwirrung
Das bedeutet: Auch wenn Ihre Bewerbung inhaltlich stark ist – Formatfehler, unklare Überschriften oder fehlende Schlüsselbegriffe können dazu führen, dass sie durch das Raster fällt.
Ein Text, der gut lesbar für Menschen ist, ist noch lange nicht „maschinentauglich“. Wer das ignoriert, riskiert, dass seine Unterlagen gar nicht erst bei einer echten Person ankommen.
Worauf Sie beim Erstellen eines Motivationsschreibens durch den Einfluss von KI konkret achten müssen, erfahren Sie im Beitrag: KI-gestützte Bewerberauswahl: So meistern Sie den modernen Auswahlprozess!
Bewerbungen mit Maschinen schreiben: Wenn ChatGPT das Bewerbungsschreiben verfasst
Immer mehr Menschen nutzen Tools wie ChatGPT, um Bewerbungsunterlagen zu erstellen. Was dabei herauskommt, kann beeindruckend klingen – ist aber oft auch einfach nur glatt, austauschbar und wenig authentisch.
Das Problem liegt nicht in der Technik, sondern in der Nutzung: KI kann hervorragend formulieren – aber nur dann, wenn sie mit Substanz und Persönlichkeit gefüttert wird. Wer sich ausschließlich auf generierte Texte verlässt, verschenkt eine Chance.
Sie brauchen Hilfe bei Ihren Bewerbungsunterlagen?
Wenn Sie trotz Einsatz der KI immer nur Absagen bei Ihren Bewerbungen bekommen, kann ich Ihnen sagen, woran es liegen könnte.
Zwischen Hilfe und Täuschung: Die Grenze der Automatisierung
Es ist ein schmaler Grat: Natürlich darf man sich beim Schreiben helfen lassen. Aber ein Motivationsschreiben, das überhaupt nichts Persönliches mehr enthält, wirkt schnell unglaubwürdig. Recruiterinnen und Recruiter haben ein feines Gespür für Texte, die zu perfekt klingen.
Noch schwieriger wird es, wenn Bewerberinnen und Bewerber Erfahrungen oder Qualifikationen „hineinoptimieren“, die es so nie gab. Wer hier die Grenze überschreitet, läuft Gefahr, Vertrauen zu verspielen – spätestens im Gespräch.
Ein Beispiel aus der Praxis: Eine Kandidatin bewirbt sich mit einem KI-generierten Bewerbungsschreiben auf eine Projektleitungsposition. Sie lässt sich von der KI ein sehr professionell klingendes Schreiben formulieren – inklusive Formulierungen wie „Ich habe bereits mehrere crossfunktionale Teams durch komplexe Transformationsprojekte geführt“. In Wahrheit hat sie bislang nur Teammeetings koordiniert, nicht aber Projekte gesteuert oder Verantwortung für Ergebnisse getragen. Im Bewerbungsgespräch wird sie konkret darauf angesprochen – und kann ihre Aussagen nicht glaubwürdig belegen. Der Eindruck: Die Bewerberin hat versucht, sich künstlich aufzublasen. Das Gespräch kippt, obwohl sie grundsätzlich geeignet gewesen wäre.
So nutzen auch Personalabteilungen Künstliche Intelligenz
Auch auf Unternehmensseite ist KI längst angekommen. Sie wird eingesetzt, um Lebensläufe zu matchen, Bewerbungsschreiben zu klassifizieren oder sogar Videoaufnahmen von Bewerbungsgesprächen zu analysieren.
Manche Tools versprechen, anhand von Mimik, Stimmlage oder Wortwahl Rückschlüsse auf Persönlichkeit oder Eignung zu ziehen. Das ist technisch möglich – aber auch höchst umstritten. Für Bewerberinnen und Bewerber bedeutet das: Je nach Unternehmen kann der Auswahlprozess heute teilautomatisiert und stark vorstrukturiert sein.
KI im Vorstellungsgespräch: Wenn die Kamera mitanalysiert
In manchen Auswahlverfahren kommen automatisierte Videointerviews zum Einsatz, bei denen Ihre Antworten nicht von einer Person, sondern von einer Software ausgewertet werden. Diese analysiert Inhalte, Sprachtempo, Blickrichtung – manchmal sogar Mikroexpressionen, also kleinste unbewusste Gesichtsausdrücke, die Rückschlüsse auf Emotionen zulassen.
Ob das fair ist, wird diskutiert. Fest steht: Wer solche Verfahren kennt, kann sich besser darauf vorbereiten. Es geht nicht darum, sich zu „verstellen“, sondern darum, in einem neuen Rahmen souverän aufzutreten.
Der richtige Umgang mit KI-generierten Bewerbungsunterlagen
KI kann ein praktisches Hilfsmittel sein – etwa, um eine erste Textfassung für Ihr Bewerbungsschreiben zu erstellen oder Ideen zu sammeln. Entscheidend ist, dass Sie diese Vorschläge überarbeiten, personalisieren und kritisch prüfen.
Ein gutes Motivationsschreiben erzählt immer etwas über Sie – nicht über die KI. Ihre Sprache, Ihre Gedankenführung, Ihre Haltung: All das kann (und sollte) im Text spürbar sein. Nur dann wirkt Ihre Bewerbung glaubwürdig.
Prompt Engineering – wie man KI sinnvoll anleitet
Damit KI Ihnen wirklich hilft, kommt es auf die richtigen Fragen an. Wer nur schreibt „Verfasse ein Motivationsschreiben für eine Juristin“, bekommt Standardtexte.
Wer hingegen Details mitliefert – etwa: „Ich bin Juristin mit Erfahrung in Asylrecht, bewerbe mich auf eine Position mit Führungsverantwortung und möchte meine Werte betonen“ – erhält viel bessere Entwürfe.
Das nennt man „Prompt Engineering“ – also die Kunst, gezielte Eingaben zu formulieren, die zu brauchbaren Ergebnissen führen.
Wer profitiert – und wer verliert? Chancen & Risiken im Überblick
KI kann Menschen unterstützen, die sich mit Formulierungen schwertun, wenig Zeit haben oder sprachlich nicht sicher sind. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass alle Bewerbungsschreiben gleich klingen, Persönlichkeit verloren geht – und am Ende doch nur die Formalien zählen.
Besonders für Menschen mit ungewöhnlichen Lebensläufen, Quereinstiege oder starke persönliche Motivationen ist es wichtig, sich nicht unter Wert zu präsentieren, nur weil ein KI-Text „runder“ klingt.
Was bleibt menschlich – und warum das wichtig ist
Bewerbung bleibt – trotz aller Technik – ein zutiefst menschlicher Prozess. Am Ende entscheidet kein Algorithmus, ob Sie eingestellt werden, sondern ein Mensch. Und der will spüren, wer Sie sind und wofür Sie stehen.
Gerade deshalb ist es so wichtig, KI nicht als Ersatz, sondern als Werkzeug zu verstehen. Sie kann Sie entlasten – aber nicht vertreten.
Fazit: Die Rolle der KI verstehen – nicht ersetzen, sondern unterstützen
Künstliche Intelligenz im Bewerbungsprozess verändert vieles – und wird das auch weiterhin tun. Wer sich heute bewirbt, tut gut daran, diese Entwicklungen zu kennen und strategisch zu nutzen. Nicht alles, was technisch möglich ist, ist auch ratsam.
Aber wer KI klug einsetzt, kann damit Zeit sparen, die Qualität steigern – und sich auf das konzentrieren, was wirklich zählt: die eigene berufliche Geschichte mit Klarheit und Überzeugung zu erzählen.
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