In einer Arbeitswelt, in der One-Click-Bewerbungen, Onlineformulare und KI-generierte Bewerbungsschreiben längst zur Normalität gehören, stellen sich viele Bewerberinnen und Bewerber eine zentrale Frage:
„Ist das Motivationsschreiben noch zeitgemäß? Muss ich wirklich noch eines verfassen – oder ist das längst überholt?“
Die kurze Antwort lautet: Sie müssen nicht – aber Sie sollten.
Denn ein gut durchdachtes und individuell gestaltetes Motivationsschreiben ist auch 2025 noch ein starkes Werkzeug, das Ihnen klare Vorteile im Bewerbungsprozess verschaffen kann.
Übrigens: Motivationsschreiben, Anschreiben, Bewerbungsschreiben – es ist tatsächlich sehr verwirrend, was man denn nun eigentlich für eine gute Bewerbung braucht.
Besonders in Deutschland kursiert das Thema, dass man zwei Schreiben bräuchte, die im Wesentlichen den gleichen Inhalt aufweisen.
Daher meine Empfehlung: Wenn in einem Inserat nicht ausdrücklich zwei Schreiben verlangt werden, reicht ein Schreiben!
Über den Unterschied erfahren Sie in Motivationsschreiben und Anschreiben stiften Verwirrung mehr!
Ein Blick zurück: Die Herkunft des Motivationsschreibens
Besonders in Österreich reichte es jedenfalls bis in die 70/80er des vorigen Jahrhunderts völlig aus, an ein Unternehmen einen Lebenslauf zu versenden.
Im akademischen Bereich begannen dann immer mehr Unternehmen auch ein Motivationsschreiben zu verlangen, um eine „ausführliche“ Bewerbung zu erhalten.
Vorbild dafür dürfen Bewerbungen um Studienplätze, Stipendien oder Auslandsprogramme in den USA gewesen sein, wo neben fachlichen Qualifikationen auch persönliche Beweggründe und Zielsetzungen gefragt waren.
In den meisten höherqualifizierten Job-Inseraten wird das Motivationsschreiben in Österreich – und wahrscheinlich auch in Deutschland – heute noch verlangt.
Dem Fachkräftemangel ist jedenfalls geschuldet, dass Unternehmen Bewerbungsprozesse immer einfacher gestalten, um jegliche Hindernisse aus dem Weg zu räumen, die Bewerberinnen und Bewerber davon abhalten könnten, sich zu bewerben.
Daher wird ein Motivationsschreiben immer häufiger auch gar nicht mehr verlangt, bringt aber gerade deshalb in vielen Kontexten einen strategischen Vorteil für Bewerberinnen und Bewerber.
Da Menschen in der Kommunikation oft nicht klar differenzieren, werden Stimmen immer lauter, dass das Motivationsschreiben gänzlich obsolet sei und man es gar nicht mehr bräuchte.
Warum das Motivationsschreiben heute wichtiger denn je ist
Der Arbeitsmarkt befindet sich im Wandel. Unternehmen klagen über Fachkräftemangel, Bewerberinnen und Bewerber über unübersichtliche Prozesse. Inmitten dieser Dynamik entstehen neue Bewerbungsformen:
- Kurzbewerbung per LinkedIn-Profil
- Bewerbung mit OnePager
- Recruiting per App oder Video
In dieser Welt scheint ein klassisches Motivationsschreiben irgendwie aus der Zeit gefallen – oder?
Aber genau hier lohnt es sich, genauer hinzusehen. Denn je mehr die Prozesse automatisiert werden, desto größer ist die Wirkung eines persönlichen, gut geschriebenen Texts, der echtes Interesse und reflektierte Motivation zeigt.
Auch wenn der Trend zu schnellen, digitalen Bewerbungen geht: Gerade in einer solchen Welt sticht heraus, wer sich die Mühe macht, Motivation und Persönlichkeit greifbar zu machen.
Sie zeigen mit einem Motivationsschreiben Persönlichkeit. Die Adressaten bekommen Gelegenheit, zu erfassen, wer Sie sind, was Sie ausmacht und was Sie begeistert!
Noch viel wichtiger aber: Sie schaffen Vertrauen, denn ein individuell formuliertes Schreiben signalisiert echtes Interesse. Sie wollen den Job wirklich und geben alles, um ihn zu bekommen.
Im Bewerbungsschreiben haben Sie Gelegenheit, Besonderheiten zu erklären. Das ist ganz besonders ideal wenn Sie quereinsteigen, sich völlig neu orientieren wollen, aber auch, wenn Ihr Lebenslauf Lücken aufweist, die Sie schon im Vorfeld begründen sollten, um nicht schon in der Begutachtungsphase aus dem Auswahlprozess zu fallen.
Sie zeigen echtes Engagement. Denn Sie geben sich besonders viel Mühe und gehen – im Vergleich zu anderen – eine Extra Mile. Ein Motivationsschreiben hilft Ihnen aus der Masse herauszustechen.
Sie verschaffen sich insgesamt Vorteile und besonders in engen Auswahlverfahren – mit vielen Bewerberinnen und Bewerbern – zählt jeder Pluspunkt.
In welchen Fällen lohnt sich ein Motivationsschreiben besonders – auch wenn es nicht ausdrücklich verlangt wird?
Berufseinstieg
Besonders Berufsanfänger stehen vor dem Problem, dass Sie keine Erfahrung vorweisen können. Wenn dann auch noch das Zeugnis nicht das Beste ist, bietet ein Motivationsschreiben Gelegenheit, seine Stärken gut zu verkaufen und auch Beispiele dafür zu nennen, was Sie wiederum glaubwürdig erscheinen lässt.
z.B.: „Ich bin mir bewusst, dass meine Abschlussnoten nicht zu den besten zählen. Doch in meinen Projekten habe ich gezeigt, dass ich mit Leidenschaft, Engagement und Lernbereitschaft zu überzeugenden Ergebnissen komme.“
Initiativbewerbungen
Bei Initiativbewerbungen ist ein Motivationsschreiben ein Muss. Wie anders sollten Unternehmen wissen, was Sie von Ihnen wollen, insbesondere für welche Stelle Sie sich konkret bewerben.
Konkrete Tipps für eine erfolgreiche Initiativbewerbung erhalten Sie in 7 wichtige Tipps für die Initiativbewerbung.
Beruflicher Quereinstieg
Ein erster Blick in Ihren Lebenslauf lässt erkennen, dass Sie keine berufliche Erfahrung für einen Job außerhalb Ihrer Branche oder Jobfamilie mitbringen. Ein gutes Motivationsschreiben, das erklärt, was Sie für den Quereinsteigerjob befähigt, welche Qualifikationen und Stärken Sie dafür mitbringen, erhöht Ihre Chancen auf eine Einladung zu einem Bewerbungsgespräch ungemein.
z.B.: „In der Veranstaltungsorganisation habe ich gelernt, strukturiert zu planen, empathisch zu kommunizieren und unter Zeitdruck zu liefern. Diese Fähigkeiten möchte ich künftig in einem Umfeld einsetzen, das für mich persönlich sinnstiftend ist – der Bildungsbereich.“
Bewerbung auf Stipendien oder Studienplätze
Auch für Bewerbungen im Zusammenhang mit akademischen Ausbildungen ist ein Motivationsschreiben unerlässlich, denn besonders Anbieter, deren Ausbildungen kostenpflichtig sind, haben ein starkes Interesse, nur jene Kandidatinnen und Kandidaten auszuwählen, bei denen die Chancen hoch stehen, dass sie die Ausbildung zur Gänze absolvieren.
Daher wählen Sie all jene aus, die diesem Gedanken folgend am meisten motiviert und passend erscheinen.
Wiedereinstieg nach einer beruflichen Pause
Klar, jede oder jeder von uns braucht einen Job. Und in vielen Fällen ist die Entlohnung auch das Hauptmotiv, warum Menschen sich für Jobs bewerben.
Unternehmen aber wollen sicher gehen, dass sie Menschen anstellen, die sich über den Faktor Gehalt hinaus engagieren, sie suchen Menschen, die Tätigkeiten mit Begeisterung erledigen. Sie suchen Menschen, auf die sie langfristig zählen können.
Ein gutes Motivationsschreiben kann diese Motive transportieren und es den Unternehmen schon im Einladungsstadium leichter machen, geeignete Kandidatinnen und Kandidaten auszuwählen.
z.B.: „Die letzten Jahre standen ganz im Zeichen meiner Familie. Dabei habe ich insbesondere mein Organisationstalent unter Beweis gestellt, denn es galt, die Freizeitgestaltung von drei Kindern, neben der erforderlichen schulischen Unterstützung, unseren großen Haushalt und die berufliche Selbständigkeit meines Mannes zu unterstützen und zu managen. Jetzt freue ich mich darauf, meine berufliche Erfahrung mit neuen Perspektiven, meinem Organisationstalent und hoher Motivation zu verbinden.“
Bewerbungen im sozialen oder kulturellen Bereich
Im Sozialbereich und auch im kulturellen Bereich kommt es neben den fachlichen Qualifikationen ganz besonders auf die Persönlichkeit an. Daher sind die Adressatinnen und Adressaten Ihrer Bewerbungsunterlagen gerade in diesem Bereich besonders daran interessiert, über Ihre Werte und innere Haltung zu erfahren.
Führungspositionen oder strategisch relevante Positionen
Bei Bewerbungen für Führungspositionen und strategisch relevanten Positionen sind strategisches Denken und Visionen gefordert. In einem guten Motivationsschreiben haben Sie Gelegenheit darzulegen, welche Richtung Sie einschlagen wollen, und welchen Mehrwert Sie dem Unternehmen sowohl ich strategischer Hinsicht aber auch hinsichtlich der Unternehmens- und Führungskultur bringen.
Wenn Sie sich bewusst von anderen Bewerbenden abheben möchten
Zeigen Sie Initiative. Tun Sie mehr als der Rest – und lassen Sie es positiv auffallen.
Ganz besonders für Positionen, bei denen mit vielen Bewerberinnen und Bewerbern zu rechnen ist, können Sie damit punkten, es anders als der Rest zu machen.
Motivationsschreiben und die künstliche Intelligenz (KI)
Einer der triftigsten Gründe, warum Sie auch in Zukunft ein Motivationsschreiben verfassen sollten, ist übrigens die Künstliche Intelligenz.
Ich prophezeie sogar, dass das Motivationsschreiben gerade wieder an Bedeutung gewinnt.
Dies aus zweierlei Gründen:
Die KI sortiert aus
Die KI checkt Ihre Bewerbungsunterlagen und sortiert aus. Allerdings kann sie nur auswerten, was Sie geschrieben haben. Und alles, was die KI nicht finden kann, existiert für sie auch nicht. Daher könnte es passieren, dass die KI Sie schon im Vorfeld aussortiert, nur weil Sie im Lebenslauf wichtige Themen und Keywords nicht erwähnt haben.
Besonders bei Quereinsteigern besteht diese Gefahr, aber auch bei jungen Menschen, die z.B. Führungsqualitäten nicht im beruflichen, sondern im privaten Kontext erworben haben. Oder bei solchen, die im elterlichen Betrieb viel Erfahrung gesammelt haben, diese aber nicht in einem Lebenslauf erwähnen.
Ebenso filtert sie – je nachdem worauf sie programmiert ist – Lücken aus, für die es aber eine gute Erklärung gäbe. Wer z.B. aus dem Ausland migriert ist, dessen Lebenslauf weist zwangsläufig Lücken auf, vor allem dann, wenn man den Umzug einer ganzen Familie managen muss und sich auch um Schulab- und anmeldungen der Kinder kümmern muss.
Der Mensch bleibt menschlich
Ein gut formuliertes Motivationsschreiben ist eines der letzten Mittel, um als Mensch sichtbar zu bleiben.
Während KI-generierte Bewerbungen immer austauschbarer werden, überzeugt Ihre individuelle Stimme – Ihre echten Beweggründe, Ihre Motivation, Ihre Haltung.
Das Motivationsschreiben wird zu einem der wenigen Bestandteile Ihrer Bewerbung, in dem Sie als Mensch noch unmittelbar und authentisch sichtbar werden können.
Während Bewerbungsunterlagen von vielen zunehmend von Tools optimiert oder sogar automatisch generiert werden, erkennen viele Personalverantwortliche sehr schnell, wenn ein Text generisch, austauschbar oder KI-gestützt erstellt wurde.
Indem Sie im Bewerbungsschreiben persönlichen Erfahrungen, Ziele und Werte in Worte fassen, zeigen Sie: „Ich bin mehr als eine Ansammlung von Datenpunkten.“
Sie unterstreichen Ihre Eigeninitiative, Ihre Reflexionsfähigkeit und Ihre Bereitschaft, sich mit der angestrebten Position und dem Unternehmen wirklich auseinanderzusetzen. Das ist eine Botschaft, die kein Algorithmus imitieren kann.
Ein gut formuliertes Motivationsschreiben ist somit nicht nur ein Ausdruck von Engagement – es ist auch ein Gegenentwurf zur Beliebigkeit, die automatisierte Bewerbungen oft mit sich bringen. Es schafft Vertrauen, hebt Sie hervor und vermittelt, dass hinter Ihrer Bewerbung ein Mensch mit Haltung und Ambition steht.
Gerade im Zeitalter von KI wird also nicht weniger, sondern mehr Persönlichkeit zum entscheidenden Faktor – und das Motivationsschreiben ist Ihre Bühne dafür.
So gestalten Sie ein modernes Motivationsschreiben
Ein optimales Motivationsschreiben passt auf eine Seite. Mehr brauchen Sie nicht, wenn Sie Ihre Motive kompakt und inhaltsstark transportieren.
Mehr zum Aufbau, Einstieg und Schlussteil erfahren Sie in folgenden Blogartikeln:
Motivationsschreiben leicht verfasst
Den ersten Satz im Motivationsschreiben erfolgreich gestalten!
Schlusssatz im Motivationsschreiben
Fazit: Das Motivationsschreiben ist kein Auslaufmodell sondern Ihre Bühne
Wenn Sie sich selbst die Frage stellen, ob ein Motivationsschreiben noch zeitgemäß ist, dann seien Sie sich gewiss, dass es auch 2025 noch ein wirkungsvolles Mittel ist, um sich von anderen Bewerbenden abzuheben. Es gibt Ihnen Raum, Ihre Ziele, Überzeugungen und Persönlichkeit zu präsentieren – und genau das bleibt im Gedächtnis.
Überraschender Weise könnte es sogar sein, dass das Motivationsschreiben im Zeitalter von KI einen neuen Aufwind bekommt, und relevanter wird, als je zuvor.
Denn Technologie kann vieles – Ihre Motivation erklären können nur Sie selbst.
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