Wer Probleme im Team feststellt, sollte auch seine eigene Rolle im Hinblick auf die Dynamik im Team hinterfragen.
In der heutigen Arbeitswelt, geprägt von Lean Management und flachen Hierarchien, wird oft übersehen, dass sich Teams natürlich organisieren – mit einer klaren Rangordnung.
Menschen organisieren sich instinktiv in Gruppenstrukturen, und diese beinhalten fast immer eine Form der Hierarchie.
Auch wenn Sie als Führungskraft daran glauben, dass Ihr Team vollkommen selbstorganisiert agieren kann, wird unweigerlich eine informelle Hierarchie entstehen.
Wenn Sie Ihre Alpha-Rolle nicht bewusst ausfüllen, wird es jemand anderes tun – und das kann zu erheblichen Problemen im Team führen.
Die vier natürlichen Rollen in einer Teamhierarchie
Gruppenstrukturen sind durch verschiedene Rollen gekennzeichnet, die sich in fast jeder sozialen Ordnung wiederfinden. Diese Rollen lassen sich in vier Haupttypen unterteilen.
Alpha-Rolle – Der Anführer
Die Alpha-Person ist der führende Kopf des Teams. Sie gibt die Richtung vor, trifft wichtige Entscheidungen und sorgt für Sicherheit. Eine starke Alpha-Persönlichkeit ist entscheidend für den Erfolg einer Gruppe, da sie Stabilität und Orientierung bietet.
Optimal für ein Team ist, wenn diese Rolle von einem natürlichen Alpha (siehe unten) besetzt wird.
Beta-Rolle – Der Experte
Die Beta-Person ist ein Experte oder ein Berater innerhalb des Teams. Sie unterstützt das Alpha durch Wissen, Kompetenz und strategisches Denken. Betas sind loyale Unterstützer, die das Alpha in seinen Entscheidungen stärken, aber nicht selbst in die Führungsrolle drängen.
Gamma – Die Basis des Teams
Gammas sind die loyalen Mitglieder des Teams. Sie arbeiten gewissenhaft, folgen den Anweisungen und unterstützen das Team durch Fleiß und Disziplin. Sie sind die Grundlage jeder funktionierenden Gruppe und bilden die Mehrheit innerhalb eines Teams.
Omega – Der Kritiker
Die Omega-Person ist der Kritiker oder Rebell innerhalb eines Teams. Sie hinterfragt Entscheidungen, ist skeptisch gegenüber der Führung und kann zu einer Vielzahl von Problemen im Team führen.
Allerdings kann eine konstruktive Omega-Rolle auch wertvolle Impulse geben, indem sie blinde Flecken aufzeigt und eine alternative Perspektive bietet.
Probleme im Team treten insbesondere dann besonders heftig auf, wenn die Alpha-Rolle von jemanden besetzt wird, dessen Führungskompetenzen schwach sind, wenn sich gleichzeitig ein natürliches Alpha im Team befindet. Dieses findet sich meist schnell in der Omega-Rolle.
Probleme im Team durch unbewusste Dynamik
Schon in Kindergärten zeigt sich, dass Gruppen ohne bewusste Steuerung eine Hierarchie ausbilden. Es gibt immer Kinder, die führen, und solche, die folgen.
Diese Mechanismen setzen sich im Erwachsenenleben fort. Eine Gruppe braucht einen Anker, eine Person, die Sicherheit gibt, Entscheidungen trifft und Orientierung bietet. Fehlt diese Person oder ist sie unklar definiert, entstehen Unsicherheit, Konflikte und ineffiziente Prozesse.
Viele moderne Führungskräfte neigen dazu, ihre Rolle als Alpha-Person nicht anzunehmen oder sogar zu verleugnen. Sie möchten als Teil des Teams gesehen werden, nicht als übergeordnete Autorität.
Doch genau hier liegt das Problem:
Ein Team ohne eine klare Führung verliert an Richtung, es entstehen Machtkämpfe und informelle Anführer treten auf, die auch eventuell nicht das Wohl der Gruppe im Blick haben.
Die Organisation in Hierarchien – ein automatischer Prozess
Warum neigen Menschen in Gruppen eigentlich dazu, sich in Hierarchien zu organisieren?
Die Antwort darauf liegt in der menschlichen Evolution.
Hierarchien sind ein effizientes, stabiles und bewährtes System, um Gruppen zu organisieren und koordiniert handeln zu können. Sie entstehen automatisch – selbst in vermeintlich „flachen“ Strukturen.
In frühen Menschengruppen war eine klare Rangordnung überlebenswichtig. Gruppen mit effektiver Führung konnten Ressourcen besser verwalten, Konflikte minimieren und schneller auf Bedrohungen reagieren. Hierarchien helfen dabei, Entscheidungsprozesse zu beschleunigen. Statt endloser Diskussionen übernimmt eine Führungsperson Verantwortung und gibt eine Richtung vor. Insbesondere in bedrohlichen Situationen wird schnell klar, wie wichtig es ist, dass eine Person schnell richtige Entscheidungen trifft.
Menschen suchen generell nach Orientierung und Stabilität, um sich wohl zu fühlen. Eine Hierarchie gibt vor, wer für welche Aufgaben zuständig ist, und reduziert Unsicherheit.
Nicht jeder will oder kann Verantwortung und Führung übernehmen. Hierarchien ermöglichen es, Aufgaben und Entscheidungsbefugnisse klar zuzuweisen.
Menschen haben ein natürliches Bedürfnis nach Zugehörigkeit und Status. Hierarchien bieten eine Struktur, in der individuelle Beiträge sichtbar werden und belohnt werden können.
Klare Rollenverteilungen reduzieren Konkurrenzkämpfe und verhindern, dass Gruppen durch Machtkämpfe gelähmt werden.
Hierarchien als natürlicher Teil sozialen Zusammenlebens
Dass die Organisation in Hierarchien ein automatischer, menschlicher Prozess ist, zeigt sich übrigens schon in frühester Kindheit.
Bereits kleine Kinder organisieren sich beim Spielen in Hierarchien, was an einem angeborenen, biologischen Mechanismus liegt. Kinder kommen nicht als „leere Blätter“ zur Welt, sondern mit einer angeborenen Fähigkeit, soziale Strukturen zu erkennen und sich darin zu bewegen. Hierarchien bieten Sicherheit und Orientierung – genau das, was Kinder brauchen.
Kinder suchen unbewusst nach einem starken „Alpha“, das Schutz bietet und Entscheidungen trifft. Das kann ein Erwachsener sein, aber auch ein besonders selbstbewusstes Kind in der Gruppe. Manche Kinder sind natürlicher dominant, andere eher zurückhaltend. Schnell bildet sich eine Struktur, in der einige Kinder die Richtung vorgeben und andere folgen.
Kinder lernen durch Beobachtung. Sie sehen, dass Erwachsene in Hierarchien agieren (z. B. Eltern, Lehrer, ältere Geschwister) und spiegeln dieses Verhalten in ihrem eigenen Spiel wider.
Eine klare Struktur hilft der Gruppe, Konflikte zu reduzieren und schneller gemeinsame Lösungen zu finden. Kinder testen so soziale Regeln aus und lernen, wie Kooperation funktioniert.
Kinder erkennen auch früh, dass eine höhere Position Vorteile bringt – mehr Spielzeug, mehr Aufmerksamkeit oder einfach die Möglichkeit, die Spielregeln zu bestimmen.
Hierarchien sind also kein künstliches Konzept, sondern ein natürlicher Teil des sozialen Zusammenlebens. Schon im Kindergarten setzen sich die gleichen Mechanismen durch, die später in Teams, Unternehmen oder Gesellschaften zu sehen sind.
Kann man Hierarchien abschaffen?
Die Abschaffung von Hierarchien ist eine faszinierende Idee, die in modernen Organisationsmodellen wie Holacracy, Soziokratie oder flachen Unternehmensstrukturen propagiert wird. Doch die entscheidende Frage ist: Kann das wirklich funktionieren?
In der Theorie klingt ein hierarchiefreies System attraktiv: Gleichberechtigung, Selbstorganisation, agile Entscheidungsfindung. Doch in der Praxis zeigt sich leider, dass Hierarchien nicht wirklich verschwinden – sie werden nur unsichtbar oder informell.
Menschen ordnen sich – wie bereits dargelegt – unbewusst in natürliche Hierarchien ein. Selbst wenn eine Organisation offiziell keine Führungsebenen hat, werden sich starke Persönlichkeiten durchsetzen und Einfluss gewinnen – ohne formalen Titel.
Das ist in der Regel problematisch, weil informelle Machtstrukturen weniger transparent sind und in allen menschlichen Interaktionen in einem Unternehmen mitschwingen. Es führt zu längeren Entscheidungswegen, endlosen Diskussionen und Unklarheiten. Die fehlende Verantwortung lähmt das Unternehmen.
Unternehmen, die flache Strukturen einführen und erfolgreich sein wollen, müssen in Wahrheit auf Hybridmodelle setzen. Dazu gehört, dass Selbstorganisation innerhalb klarer Rahmenbedingungen gefördert wird, rotierende Rollen statt fester Hierarchien geschaffen und klare Verantwortungsträger nominiert werden, die die Regeln aufstellen.
Eine unklare Alpha-Rolle führt garantiert zu Problemen im Team
Wenn Führungskräfte Ihre Führungsrolle – bewusst oder unbewusst – nicht ausfüllen, leidet die gesamte Teamdynamik. Zwangsläufig treten in solchen Teams Probleme auf, deren Ursprung besonders den Führungskräften, die glauben, alles richtig zu machen, nicht realisieren.
Ohne eine klare Führung konkurrieren Teammitglieder um Einfluss. In jeder Gruppe gibt es Menschen, die Verantwortung an sich reißen, wenn kein klares Alpha vorhanden ist. Diese sind jedoch nicht immer die besten Personen für diese Aufgabe. Die Situation führt zwangsläufig zu Spannungen, internen Konflikten und einer ineffizienten Entscheidungsfindung.
Mitarbeiter sind unsicher, wenn es keine klare Person gibt, die Entscheidungen trifft und eine Richtung vorgibt. Diese Unsicherheit verringert die Produktivität und führt zu sinkender Motivation.
Ohne eine Führungskraft, die Klarheit schafft, fühlen sich Mitarbeiter nicht ernst genommen und werden sukzessive unzufrieden.
Natürliche Alphas
Ein natürliches Alpha ist eine Person, die innerhalb einer Gruppe auf ganz natürliche Weise die Führungsrolle übernimmt – unabhängig davon, ob sie offiziell als Führungskraft eingesetzt wurde oder nicht. Diese Person gewinnt durch ihr Verhalten, ihre Kompetenz, ihre Ausstrahlung oder ihre soziale Intelligenz das Vertrauen und die Anerkennung der Gruppe.
Merkmale eines natürlichen Alphas
Natürliche Alphas zeichnen sich durch eine hohe soziale Intelligenz aus, weil sie instinktiv verstehen, was ein Team braucht. Sie werden von anderen meist sehr selbstbewusst wahrgenommen, weil sie entschlossen auftreten und Sicherheit ausstrahlen. Sie treffen schnell Entscheidungen ohne Unsicherheit.
Natürliche Alphas besitzen eine überdurchschnittliche Fähigkeit, andere zu motivieren. Sie inspirieren Teammitglieder und bringen sie dazu, ihr Bestes zu geben.
In der Regel genießen Sie aufgrund ihrer hohen fachlichen oder emotionalen Kompetenz den Respekt ihres Umfeldes.
Und letztlich zeichnet sie ein starker Beschützerinstinkt aus. Sie setzen sich für ihr Team ein, was dessen Loyalität und Zusammenhalt stärkt.
Das natürliche Alpha in der Omega-Rolle
Es gleicht einem Naturgesetz, dass ein natürliches Alpha sich in die Omega-Rolle einfindet, wenn die offizielle Alpha-Rolle von jemanden bekleidet wird, der für die Rolle nicht geeignet ist.
Da das natürliche Alpha in einer solchen Konstellation die besser geeignete Führungskraft ist, wenden sich die Teammitglieder rasch dieser Person zu und folgen ihr. Über kurz oder lang treten in einem solchen Team große Schwierigkeiten auf, wenn das Thema nicht erkannt wird.
Abweichen der offiziellen von der natürlichen Hierarchie
Die Alpha-Rolle bewusst annehmen
Wenn Sie Probleme im Team spüren, die daran liegen können, dass die informelle Gruppendynamik von der offiziellen Rollenverteilung abweicht, ist es wichtig, dass Sie Ihre Alpa-Rolle intensiver einnehmen.
Eine gute Führungskraft ist nicht jemand, der mit harter Hand regiert, sondern jemand, der natürliche Teamdynamiken versteht und gezielt lenkt.
Ihre Aufgabe ist es, Stabilität zu bieten, indem Sie:
- Klare Entscheidungen treffen: Seien Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst und treffen Sie Entscheidungen, statt sie an das Team zu delegieren, wenn Klarheit gefordert ist.
- Orientierung geben: Vermitteln Sie eine klare Vision und Werte, an denen sich Ihr Team ausrichten kann.
- Rahmenbedingungen schaffen: Sorgen Sie für Strukturen und Prozesse, die das Team effektiv arbeiten lassen.
- Konflikte moderieren: Erkennen Sie aufkommende Probleme frühzeitig und steuern Sie aktiv gegen.
- Verantwortung übernehmen: Stellen Sie sicher, dass Ihr Team weiß, dass Sie für es einstehen und Sicherheit bieten.
Fazit: Seien Sie der Leader, den Ihr Team braucht
Eine starke Teamdynamik erfordert eine klare, bewusste Führung. Die Alpha-Rolle ist keine Wahloption, sondern eine Notwendigkeit. Wenn Sie diese nicht bewusst einnehmen, wird sie von jemand anderem übernommen – mit unvorhersehbaren Konsequenzen. Akzeptieren Sie Ihre Verantwortung als Führungskraft und gestalten Sie aktiv die Teamdynamik. Denn nur so kann Ihr Team sein volles Potenzial entfalten.
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