Zur Bekämpfung von Fachkräfte- und Führungsmangel diskutiert man auf Experteneben neuerdings einige Modelle, die die drohenden Herausforderungen aufgrund dieser Mängel beseitigen könnte. Eine Lösung wird im “Topsharing“ gesehen, worunter man das Teilen einer Führungsposition versteht.
In diesem Artikel möchte ich die Vor- aber auch die Nachteile der Topsharing Lösung durchleuchten.
Definition des Topsharing
Die Wortkreation Topsharing kommt durch das Zusammensetzen der Worte Top-management und Job-sharing zustande und meint die geteilte Führungsrolle.
Es entstand aus dem ursprünglichen Gedanken des Jobsharings, wobei sich zwei Personen einen Job und das Gehalt teilen.
Sinn von Topsharing
Jobsharing wird als eine der Lösungen beworben, dem steigenden Mangel auf Führungsebene entgegen zu wirken.
Insbesondere aufgrund des Wandels unserer Gesellschaft wird die Unvereinbarkeit von Job und Familie bereits von beiden Geschlechtern stark kritisiert.
War in der Vergangenheit das Lebensmodell, dass der Mann für den Unterhalt sorgte und die Frau sich um die Familie kümmerte der Normalzustand, strebt die moderne Frau neben den Kindern nach der eigenen Karriere und Männer legen zunehmend darauf Wert, Zeit mit ihren Familien zu verbringen.
Eine Lösung dieses Dilemmas wird also darin gesehen, dass auch Führungskräfte sich einen Job teilen, um auch ihnen die Vereinbarkeit von Job und Familie zu ermöglichen.
Vorteile des Topsharings
Kosteneinsparung durch Topsharing
Die geteilte Führungsrolle bringt jedenfalls den unternehmerischen Vorteil, dass Eltern nach der Geburt nicht lange in Auszeit gehen und dem Unternehmen daher früher wieder zur Verfügung stehen. Das spart in vielerlei Hinsicht Kosten.
In der Regel wird vorübergehend Ersatz für die Mutter oder den Vater gesucht, die sich nach der Geburt eines Kindes eine Auszeit in Form der Karenzierung nehmen. Es entstehen also Kosten, die mit dem Recruiting und Auswahlprozess verbunden sind, die man sich im Falle der früheren Rückkehr der Mutter oder des Vaters ersparen kann.
Die Kosten der Einarbeitung einer Ersatzkraft entfallen ebenso wie das Problem, dass Unternehmen am Ende einer Karenzzeit oft haben. Hat sich die Ersatzkraft gut eingearbeitet und stellt ihrerseits eine wertvolle Arbeitskraft dar, möchte man nur ungern auf sie verzichten.
Die Kosten der Einarbeitungszeit der Ersatzkraft entfallen im Falle des Topssharings und jene der aus der Karenz rückkehrenden Person sind geringer.
Identifizierung mit dem Unternehmen
Wenn Mütter oder Väter länger in Karenz gehen, besteht zudem die Gefahr, dass sie nicht mehr ins Unternehmen zurückkehren und damit ihr Wissen verloren geht. Nicht zuletzt, weil sie sich aufgrund der langen Abwesenheit nicht mehr stark mit dem Unternehmen identifizieren.
Die Aussicht auf eine Stelle mit geringerem Zeit- und Arbeitsaufwand bindet sowohl das Wissen der karenzierten Person als auch die Person selbst ans Unternehmen und stellt zusätzlich eine hohe Motivation zur Rückkehr dar.
Für die Eltern hat Topsharing den großen Vorteil, dass sie relativ wenig langfristig wirkende Gehaltseinbußen und Karriereknicke in Kauf nehmen müssen. Auch deshalb wirkt Topsharing motivierend.
Da die Führungskräfte, die sich eine Stelle teilen, einander gegenseitig vertreten können ist von weniger Ausfallzeiten in der Führung zu rechnen, was ebenso positiv gewertet wird.
Gesteigerte Produktivität durch Topsharing
Viele Studien beweisen, dass Teilzeitkräfte produktiver arbeiten als Vollzeitkräfte, womit sich für den Arbeitgeber ein weiterer großer Vorteil ergibt. Die Produktivität steigt beim Topsharing hinsichtlich zweier Personen, die als Teilzeitkräfte zurückkehren können.
Das Modell kann auch in Verbindung mit Altersarbeitszeitmodellen sinnvoll eingesetzt werden, da jüngere Führungskräfte von der Erfahrung und vom Know How der älteren profitieren können.
Mehrere Ansprechpartner für Mitarbeitende
Nicht zuletzt können sich nach manchen Autoren Vorteile daraus ergeben, dass Ansprechpartner flexibel gewählt werden. Der Mitarbeiter kann sich nämlich aussuchen, an welche der beiden Teilzeitführungskräfte er sich wendet.
Nachteile des Topsharings
Leider birgt das Modell auch Nachteile.
Unterschiedliche Führungs- und Kommunikationsstile
Voraussetzung für ein funktionierendes Topsharing ist, dass beide Führungskräfte einen ähnlichen (guten) Führungs- und Kommunikationsstil haben und sich sehr eng abstimmen. Sie müssen sich gut verstehen und kooperativ Entscheidungen treffen. Was am Papier logisch und einfach klingt, ist in der Praxis eventuell konfliktreich.
Rechte von Teilzeitkräften
Die gesteigerte Flexibilität hinsichtlich geteilter Arbeitszeit funktioniert nur, wenn beide Teilzeitführungskräfte einander auch zeitlich ergänzen, sodass die Führungskräfte nebeneinander und nicht überlappend agieren. Die zeitliche Idealkonstellation wäre, dass beide Führungskräfte 20 Stunden pro Woche arbeiten, die sich nicht überlappen. Dem steht entgegen, dass sich die Führungskräfte eng abstimmen müssen.
Schwierigkeiten können weiters auftreten, wenn die teilzeitarbeitenden Führungskräfte ihre Stundenkontigente erhöhen. Auf dem Weg zurück zum Vollzeitjob steht das Unternehmen irgendwann vor dem Problem, zwei Vollzeitkräfte auf einem Arbeitsplatz sitzen zu haben.
Dieses Thema ist vor allem deshalb problematisch, weil in Österreich Teilzeitkräfte in Elternteilzeit besondere Rechte zustehen. So können sie Arbeitzeit- und -ausmaß ohne Einflussnahme und Zustimmung durch den Arbeitgeber ändern. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber vor der Situation stehen kann, dass die Arbeitszeiten so geändert werden, dass ihm zwei Personen auf einem Arbeitsplatz keinen zusätzlichen Mehrwert schaffen.
Weitere juristische Themen, wie etwa die Tatsache, dass ein Mitarbeiter nicht ohne seine Zustimmung auf einem anderen Arbeitsplatz verwendet werden darf, können problematisch werden. Wenn sich im Worst Case beide Mitarbeiter weigern, eine andere Tätigkeit zu verrichten (nämlich dann, wenn beide wieder annähernd 40 Stunden arbeiten) stehen Sie als Arbeitgeber vor dem Problem, dass die Mitarbeiter in Elternteilzeit nicht kündbar sind.
Höhere Sachkosten
Es droht also – wenn die beiden Führungskräfte sich nicht auf harmonische Arbeitszeiten einigen – erhöhter finanzieller und organisatorischer Aufwand.
Nachteilig könnte auch sein, dass zwei Mitarbeiter auf einer Position höhere Sachkosten wie z.B. Dienstautos oder Equipment bedeuten. Im Einzelfall und wenn einander Führungskräfte gut verstehen, wird sich diese Problem eventuell lösen lassen.
Gruppendynamik und unterschiedliche Führung
Das größte Problem orte ich auf der menschlichen Ebene, da ich ein erhöhtes Konfliktpotential erkenne.
Experten sehen es nämlich als Vorteil, dass sich Mitarbeiter im Falle des Topsharings aussuchen können, welche Führungskraft sie ansprechen. Im schlimmsten Fall führt das meines Erachtens zur Uneinigkeit und Problemen zwischen den Führungskräften. Der Mitarbeiter untergräbt eventuell sogar die Autorität der Führungskraft und sendet Signale, diese nicht ernst zu nehmen.
Führung bzw. Leadership funktioniert nur dann gut, wenn sie konsistent ist. Wenn Führungskräfte „heute dies und morgen das“ anordnen, droht die Stimmung im Team zu kippen. Genau diese Gefahr sehe ich beim Topsharing stark erhöht, weil bei zwei Führungskräften die Gefahr der Inkonsistenz viel höher ist.
Schwache Führungskräfte bringen den Vorteil mit sich, dass Sie harmoniebedürftiger sind als starke Führungskräfte. Daher ist bei ihnen die Chance eine Führungsrolle teilen zu wollen viel höher als bei Leadern.
Ein Leader oder eine Leaderin haben sehr genaue Vorstellungen davon, wie ein Team zu führen ist und sie nehmen ihre Führungsaufgaben sehr ernst. Sie teilen Führungsverantwortung nicht gerne, da sie sich der Gefahr bewusst sind, dass durch Inkonstistenz bereits erreichte Führungsziele vernichtet werden.
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