Virtuell Führen war schon vor Corona ein Begriff. Seit den ersten Lock Downs 2020 sind allerdings einige Aspekte dazu gekommen, die viele Führungskräfte vor völlig neue Herausforderungen stellen. Die anhaltenden Covid 19 Maßnahmen beeinflussen die virtuelle Führung auch 2021.
Definition virtuell Führen
Virtuelle Führung definiert sich durch Führungssituationen, bei denen die Führungskraft die primären Führungsaufgaben mit einem oder mehreren Mitarbeitern über digitale Kommunikationswege wahrnimmt.
Definition virtueller Teams
Viele im Netz auffindbare Quellen seit der Jahrtausendwende definieren virtuelle Teams unterschiedlich.
Dies zeigt auch, dass sich die Erscheinungsformen des gemeinsamen, virtuellen Arbeitens verändert haben.
War anfänglich noch das virtuelle Zusammenarbeiten mit externen Kooperationspartnern gemeint, definieren jüngere Quellen virtuelle Teams als „Arbeitsgruppen, standortverteilter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die auf Grundlage von gemeinsamen Zielen bzw. Arbeitsaufträgen ergebnisorientiert geschaffen werden und informationstechnisch vernetzt sind.“ Diese Quellen verstehen beim virtuellen Team insbesondere Mitarbeiter der selben Institution. 1)2)
Virtuelle Teams unterscheiden sich von traditionellen Teams in den Dimensionen Raum, Zeit und Struktur.
Virtuelles Arbeiten und Telearbeit vor 2020
Aufgrund der Globalisierung bildeten sich bereits in den 90ern weltweit virtuelle Teams. Pioniere der virtuellen Teams waren dabei Computerhersteller, Softwareanbieter und Telekommunikations-unternehmen hauptsächlich von Amerika und Großbritannien ausgehend.
Treiber für die Telearbeit waren insbesondere Kosteneinsparungsmöglichkeiten und Standortkonkurrenz. Zur Jahrtausendwende lagen zum virtuellen Arbeiten bereits umfangreiche Erfahrungswerte in der USA, GB, Japan, Deutschland, Frankreich sowie Skandinavien und in den Niederlanden vor.4)
Mindset vor 2020
Die Telearbeit bzw. die Arbeit im Home Office war vor dem Aufkommen von Covid 19 vor allem durch Freiwilligkeit gekennzeichnet. Sie wurde von Führungskräften und Mitarbeitern in gleicher Weise gewollt und bewilligt. Wer nicht als Teil eines virtuellen Teams arbeiten wollte, durfte sich nicht um Stellen bewerben, wo diese Arbeitsform Usus war.
Besonders Konzerne mit Headquarter in Amerika oder Japan wie z.B. IBM und Konica Minolta arbeiteten seit spätestens 2000 auch in Österreich in virtuellen Teams zusammen.
Die Freiwilligkeit führt zur positiven Einstellung und der Bereitschaft, aktiv sämtliche Voraussetzungen zu realisieren, die virtuelles Arbeiten erforderlich macht. Menschen, die sich um Jobs in anderen Ländern und Zeitzonen bemühen, sorgen oftmals sogar selbst für die technischen Ressourcen wie stabile Internetverbindung, Internetfähige Geräte, Webcams, Mikrophone und Headsets. In den meisten Fällen finanziert der Arbeitgeber diese Geräte.
Diese Mitarbeiter besitzen daher das Mindset, das nötig ist, um die Arbeit im virtuellen Team zu bewerkstelligen. Niemand beschwert sich z.B. über Onlinemeetings außerhalb regulärer Arbeitszeiten, wie es insbesondere dann vorkommt, wenn Menschen in unterschiedlichen Zeitzonen arbeiten. Sie nehmen es als gegeben hin.
Situation in Österreich
2015 nutzten laut Statistik Austria 13 % aller Erwerbstätigen in Österreich Home Office.3)
Bei den Nutzern handelte es sich um überwiegend ältere Mitarbeiter und solche, die hochqualifiziert oder in leitender Tätigkeit beschäftigt waren. Thematisch und örtlich wurde eine Konzentration auf den Bildungsbereich und den IKT (Informations- und Kommunikationstechnologien) Bereich in Ostösterreich festgestellt. 3)
In einer vom Wirtschaftsforschungsinstitut 2020 in Auftrag gegeben Studie, die Zahlen zum Home Office Potential in Österreich liefern sollte, ging man davon aus, dass Schätzungen zufolge 2019 ein Home Office Potential von rund 45 % aller unselbstständigen Erwerbstätigen in Österreich bestanden hat.
Aufgrund der Tatsache, dass mehr Frauen in „nichtmanuellen“ Tätigkeitsprofilen mit Home Office Potential beschäftigt waren, ist der Anteil der Frauen, die sich anzunehmender Weise aktuell im Home Office befinden, um 5 % höher als der Anteil der Männer. 3)
Es bleibt abzuwarten, ob das Home Office Potential in Österreich auch nach Bewältigung der Pandemie ausgeschöpft werden wird.
Chancen der virtuellen Führung
Mikromanagement wird aufgedeckt
Manager die Mikromanagement betreiben, bekommen in der virtuellen Führung ein ernstes Problem. Da sie auszeichnet, dass sie Mitarbeiter nicht eigenständig arbeiten lassen und sich selbst in Detailfragen verstricken, fällt in der digitalen Arbeit in kürzester Zeit auf, dass sie Ergebnisse blockieren.
Mikromanager werden sich daher rasch umstellen müssen oder von der Geschäftsleitung entlarvt werden.
Betreibt das ganze Unternehmen Mikromanagement, weil es zur Unternehmenskultur gehört, ist der Untergang vorprogrammiert.
Mehr zum Thema können Sie unter Wie Sie Mikromanagement vermeiden? und Warum Mikromanagement Erfolg verhindert! lesen.
Konzentration auf die Führungsaufgabe
Die ureigenste Aufgabe einer Führungskraft ist zu führen! Oft gerät dieser Umstand im Alltag aus dem Bewusstsein der Betroffenen, weil sie selbst in die operative Arbeit eingebunden sind oder weil sie blinde Flecken entwickelt haben. Bei der virtuellen Führung ist eine Konzentration auf die Führung unerlässlich, da sich rascher als in der traditionellen Führung Unzufriedenheit einstellt. Das ist insbesondere auf den Informationsverlust zurück zu führen.
In traditionellen Teams übernimmt oftmals eine andere Person bewusst oder unbewusst, im stillen Einverständnis mit dem Team und mit der eigentlichen Führungskraft die Führung. Das ist in der virtuellen Führung unmöglich, ohne für alle offensichtlich zu werden.
Die Führungskraft kann zwar immer noch einzelne Führungsaufgaben delegieren, aber der Mangel an der offiziellen Führung wird bei der virtuellen Führung augenscheinlicher und der Unmut jener Person, die die faktische Führung übernommen hat, sehr rasch wachsen.
Vereinbarkeit von Privatem und Karriere
Ein großer Vorteil, den die virtuelle Führung eventuell mit sich bringt, ist die Vereinbarkeit von privaten Interessen und der Karriere.
War es bislang ein großes Problem für alle Beteiligten, wenn die Führungskraft nicht in der Firma anwesend war, bietet der Schwenk auf die virtuelle Führung auch für Führungskräfte, die Familien gründen wollen, neue Möglichkeiten.
Mütter können Karenzzeiten verkürzen ohne gleichzeitig dem Kind gegenüber permanent ein schlechtes Gewissen haben zu müssen. Und auch Väter bekommen Gelegenheit, ihre Kinder aufwachsen zu sehen, ohne eine Karriereeinbuße erleiden zu müssen. Das Kind kann deutlich besser in den Berufsalltag integriert werden.
Generelle Herausforderungen der virtuellen Führung
Die Herausforderung des virtuellen Führens sind hinsichtlich verschiedener Themen sehr komplex.
Die Veränderung in Richtung virtuelle Führung als reguläre Arbeitsform betrifft das gesamte Umfeld einer Person, beeinflusst gruppendynamische Prozesse, Kompetenzen und greift vor allem massiv ins Privatleben ein. Ganz besonders dann, wenn die Voraussetzungen nicht gegeben sind, die eine strikte Trennung erlauben.
Infrastruktur- und Medienverfügbarkeit
Einer der Grundvoraussetzungen virtueller Führung ist erwartungsgemäß das Vorhandensein sämtlicher Geräte und Medien, die für die technische Realisierung des virtuellen Arbeitens benötigt werden.
Genauso wichtig ist, einen Arbeitsplatz einrichten zu können. Gerade daran scheitern mit Sicherheit vielen Betroffene aktuell. Da etwa in einem Vierpersonen Haushalt mit Kindern alle einen Schreibtisch und Möglichkeiten brauchen, Ihre Arbeitsutensilien zu verstauen, ist die Herausforderung, den Alltag im Home Office zu organisieren, groß.
Medienkompetenz
Neben der technischen Verfügbarkeit bedarf es der Kompetenz mit allen Utensilien, ob Hardware oder Software, auch umgehen zu können. Führungskräfte die sich bislang nicht mit diesen Themen beschäftigt haben, erfahren neue Unsicherheiten. Diese können in vielerlei Hinsicht zum Problem werden.
Informeller Informationsverlust
Mitarbeiter interagieren in traditionellen Teams auch abseits der eigentlichen gemeinsamen Arbeitserledigung. Ob sie sich während der Arbeit im Großraumbüro unterhalten, gemeinsam zu Mittag essen, einander beim Kaffee treffen oder gemeinsam in der U-Bahn fahren. Die Möglichkeiten zum informellen Informationsaustausch sind groß. Diese entfallen bei virtuellen Teams komplett.
Eventuell pflegen einzelne Mitarbeiter die informelle Interaktion auch im Home Office, indem sie sich digital austauschen. Selbst dann wird aber der Informationsaustausch zunehmend eindimensionaler. Während traditionelle Teams die eigene Wahrnehmung nämlich aus verschiedenen Quellen kreieren, fällt diese Möglichkeit im Bezug auf Firmenereignisse komplett weg. Das Potential für Gerüchte nimmt dadurch zu.
Formeller Informationsverlust
Die Führungskraft wird zur nahezu ausschließlichen Informationsquelle für formelle Aspekte. Wenn ihr dieser Stellenwert nicht bewusst ist, wird sie zum Bottleneck und hemmt oder verhindert sogar ungewollt Erledigungen.
Kontroll- und Steuerungsverlust
Die Führungskraft muss sich im virtuellen Team aktiv um Kontrolle und Steuerung bemühen. Sie darf nicht erwarten, dass der Mitarbeiter von sich aus anbietet, hinsichtlich seiner Arbeitsleistung kontrolliert zu werden.
Verschärfung der Gefahren durch Corona
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Zwang
Durch die Corona Maßnahmen wurde ein Großteil der Bevölkerung weltweit ins Home Office gezwungen.
Abgesehen von der erforderlichen eigenen Umstellung, wurde die Situation dadurch verschärft, dass auch Kinder und Partner plötzlich zu Hause arbeiten und lernen sollten.
Eventuell aus der Situation resultierende Annehmlichkeiten, werden mit hoher Wahrscheinlichkeit durch zusätzliche Probleme wie gleichzeitige Internetnutzung, mangelnder Platzbedarf und gegenseitige Störeinflüsse zunichte gemacht.
Medienverfügbarkeit und Medienkompetenz
So banal dies auch klingen mag, sind insbesondere in ländlichen Gegenden Österreichs die Voraussetzungen für Internet connectivity in privaten Haushalten noch lange nicht optimal erreicht.
Dies stellt auch die Führungskraft vor extreme Herausforderungen, entweder weil sie selbst von der mangelnden Verfügbarkeit oder Kompetenz betroffen ist, oder aber weil das für einen oder mehrere Mitarbeiter gilt.
Kompetenz- und Vertrauensverlust
Eine bislang als souverän gegolten habende Führungskraft büßt jedenfalls Vertrauen und Respekt ein, wenn Mitarbeiter plötzlich über einen längeren Zeitraum mitbekommen, dass die Führungskraft im Umgang mit erforderlichen Medien unsicher ist. Dieser Verlust wird sich sogar überproportional auswirken, wenn die Führungskraft bislang sehr kompetent aufgetreten ist.
Damit geht einher, dass die Führungskraft im schlimmsten Falle ihre Vorbildfunktion einbüßt.
Andererseits erleben Mitarbeiter die im Home Office sitzende Führungskraft von einer ihnen bis dahin unbekannten Seite. Die Tatsache, dass Führungskräfte gezwungen sind, Einblick in ihr Arbeits- oder gar Wohnzimmer zu geben, könnte auch einen positiven Effekt haben. Die Führungskraft wird eventuell dadurch menschlicher und authentischer wahrgenommen.
Wenn Sie nicht wollen, dass Mitarbeiter allzu großen Einblick in Ihr Privatleben bekommen, empfehle ich übrigens einen Sichtschutz zu besorgen, der Ihre Familie sowohl akustisch als auch sichtbar vom Büro trennt.
Klima der Unsicherheit
Die auftauchenden Unsicherheiten bei Führungskräften und Mitarbeitern sind komplex. Neben der Unsicherheit des eigenen Gesundheitsrisikos, treten Unsicherheiten auch bezüglich des Fortbestehens der Firma und der eigenen Position hinzu.
Die plötzliche Umstellung auf virtuelle Führung erfordert auch für die Führungskräfte eine abrupte und ungeplante Umstellung des eigenen Lebens. Gleichzeitig ist aber auch die gesamte Führungsarbeit betroffen. Die Führungskraft ist gefordert, sich neue Werkzeuge und Wege einfallen zu lassen, um die Führungsarbeit überhaupt möglich zu machen.
Verlust des Gefühls der sozialen Einheit
Teammitglieder nehmen sich selbst als eine soziale Einheit wahr und und werden auch von außen als solche wahrgenommen. Aufgrund der Prozessabhängigkeiten stehen auch die Mitarbeiter untereinander in einem Abhängigkeitsverhältnis. Langanhaltende Lock Downs, Ausgehverbote und die prinzipielle Empfehlung im Home Office zu verweilen, lassen dieses Einheitsgefühl schwinden. Die Gefahr, dass Mitarbeiter zu Einzelkämpfern werden, ist groß.
Generationsunterschiede werden deutlicher
Aufgrund rasanter Technolgieentwicklungen und einem mittlerweile bereits ca. alle 15 Jahre stattfindenden Generationswechsel, sind Führungskräfte mittlerweile damit konfrontiert, innerhalb eines Teams mit völlig unterschiedlichen Bedürfnissen und Wünschen umgehen zu müssen.
Diese Unterschiede und damit einhergehend die Herausforderungen bestehen umso stärker, je inhomogener die Altersstruktur eines Teams ist. Mehr zu den Unterschieden der einzelnen Generationen können Sie hier nachlesen.
Diese Unterschiede werden besonders deutlich hinsichtlich der Medienkompetenz der Mitarbeiter und die Führungskraft ist besonders gefordert, auf ältere Mitarbeiter einzugehen.
Verschiedene Konstellationen des virtuellen Führens
Unterschiede in den Ansprüchen an die Führung ergeben sich durch vielfältige Konstellationsmöglichkeiten des virtuellen Arbeitens.
Befinden sich alle Mitarbeiter im Home Office ist es für die Führungskraft sogar noch leichter, den Überblick über erforderlich Maßnahmen zu behalten. Schwieriger wird es, wenn Präsenzarbeit und virtuelle Arbeit einander im Rad abwechseln. Während ein Teil der Belegschaft im Home Office arbeitet, ist der andere Teil im Büro.
Die Führungskraft muss hohes Augenmerk darauf legen, dass alle Mitarbeiter immer den gleichen Informationsstand haben. Wenn die Führungskraft immer nur mit einem Teil im Büro arbeitet und selbst dann im Home Office ist, wenn es der gleiche Teil der Belegschaft ist, stellt sich ein Ungleichgewicht im Gefühl der Betreuung ein. Die Führungskraft sollte daher versuchen, tageweise bei beiden Teilen des Teams physisch anwesend zu sein.
Veränderungen der virtuellen Führung 2021
Zunehmende Planungsunsicherheit
Ging unsere Gesellschaft bis Herbst 2020 noch davon aus, dass die Lock Downs vorübergehende Ereignisse seien, zeigen die Entwicklungen immer deutlicher, dass die virtuelle Führung in vielen Bereichen zumindest partiell ein Dauerzustand werden wird.
Je länger die gemeinsame Arbeit im virtuellen Team dauert, desto mehr wird sie zur Gewohnheit und ist eine Rückkehr zur bislang gewohnten, traditionellen Arbeit im Büro nicht anzunehmen.
Es ist auch anzunehmen, dass verantwortliche Bereiche in großen Firmen bereits beginnen, das Kosteneinsparungspotential zu heben. Dabei geht es hauptsächlich um die Reduktion oder gänzliche Auflassung von Standorten.
In diesem Zusammenhang fürchte ich übrigens, dass in der Praxis zu wenig Bedacht darauf genommen wird, ob es die Platzverhältnisse in den Familien zulassen, permanent auf Home Office umzusteigen. Meine Befürchtung ist deshalb sehr real, weil ich Unternehmen kenne, die Desk Sharing eingeführt haben, dabei aber z.B. völlig vergessen haben, dass Mitarbeiter – besonders im Winter – einen Platz brauchen, um ihre Mäntel zu verstauen.
Corona Müdigkeit
Mittlerweile stellt sich bei immer mehr Menschen eine Corona Müdigkeit ein, die sie entweder in lethargischen oder in eine zunehmend aggressiver werdenden Gemütszustand versetzt.
In diesem Zusammenhang muss einer Führungskraft sehr bewusst sein, sich regelmäßig auch über den Gesamtzustand eines Mitarbeiters zu erkundigen. Es ist wichtig, Verständnis für die Mitarbeiter zu zeigen, die seit langem mit Home Schooling, Frust der Kinder und eventuell Arbeitsplatzverlust des Partners konfrontiert sind.
Spaltung in der Gesellschaft
Die aktuelle Spaltung der Gesellschaft hinsichtlich unterschiedlicher Meinungen pro und contra der Regierungsmaßnahmen macht selbstverständlich auch vor Teams nicht Halt.
Die Führungskraft ist gefordert, sehr genau zuzuhören, ob diese unterschiedlichen Ansichten nicht auch die gemeinsame Arbeit beeinflussen.
Einfluss auf die Psyche
Noch problematischer ist, dass viele Menschen aufgrund der anhaltenden Situation zunehmend in psychische Ausnahmezustände schlittern. Diese beeinflussen auch ganz besonders die Motivation am Arbeitsplatz. Es ist Aufgabe der Führungskraft, dies zu erkennen und zum Thema zu machen.
Die Führungskraft muss sich insbesondere auch darüber bewusst sein, dass sich Mitarbeiter aktuell hüten werden, solche Einflüsse zu offenbaren, da sie um ihre Arbeitsplätze fürchten und keinen Anlass geben wollen, diesen noch durch eigenes Zutun zu gefährden.
Die Führungskraft darf auch nicht aus den Augen verlieren, dass manche Mitarbeiter gar nicht im Home Office arbeiten wollen und sich aktuell nur den allgemein geltenden Regeln unterwerfen.
Extravertierte Mitarbeiter werden eventuell laufend Einwände kundtun. Introvertierte Mitarbeiter werden ihren Unmut weniger stark äußern. Die Führungskraft sollte sich daher stets an die leisen Mitarbeiter erinnern.
Onboarding ins virtuelle Team
Eine besondere Herausforderung ist die Aufnahme von Mitarbeitern während eines Lock Downs.
Eventuell ist es der Führungskraft möglich, sich besonders um die neue Mitarbeiterin oder den neuen Mitarbeiter zu kümmern. Anders sieht es hinsichtlich des gesamten Teams aus. Für den Neuankömmling ist es jedenfalls besonders schwer, ein Zugehörigkeitsgefühl zum Team zu entwickeln und sich in der neuen Position zurechtzufinden.
Die Führungskraft ist daher besonders gefordert, auch auf diesen Aspekt Rücksicht zu nehmen und in ihrer Führungsarbeit dafür zu sorgen, dass alle Teammitglieder auch den Neuzugang als Teil des Teams wahrnehmen.
Rechtliche Situation
Letztlich standen und stehen Führungskräfte vor dem Problem, dass es bislang keine gesicherte, rechtliche Grundlage für das globale Arbeiten im Home Office gibt.
Wenn auch eine solche in Ausarbeitung ist, ist die Führungskraft bislang vielen Fragen und dem Unvermögen, ausreichend Antworten geben zu können, ausgesetzt.
Die Ausarbeitung eines solchen Gesetzes ist zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels in Arbeit.
Tipps und Werkzeuge zur virtuellen Führung 2021
Orientierung und Sicherheit
Der wichtigste Tipp den ich Ihnen geben kann möchte ist, dass Sie im Rahmen aller Möglichkeiten für das Gefühl von Sicherheit sorgen.
Informieren Sie Mitarbeiter unbedingt, zeitnah und gemeinsam über Neuigkeiten.
Mit Einzelgesprächen über grundlegende, das gesamte Team betreffende Themen, lösen Sie einen Tsunami aus.
Vermeiden Sie es daher unbedingt, mit Mitarbeitern einzeln zu kommunizieren, da sich alle sofort die Frage stellen, ob alle Teammitglieder in der gleichen Weise informiert wurden.
Die Mitarbeiter werden sofort beginnen, ihren Wissenstand mit allen anderen Teammitgliedern abzugleichen. Ein Nährboden, der Gerüchte und weitere Unsicherheiten wachsen lässt.
Kommunikation
Ihr wichtigstes Werkzeug, die Kommunikation, ist beim virtuell Führen wichtiger denn je.
Das ist insbesondere für Führungskräfte, die kleine Teams führen und daher selbst stark operativ tätig sind, noch schwieriger. Die Bewältigung der eigenen Arbeit und die Tatsache, dass sie aktiv dafür sorgen müssen, die Mitarbeiter zu sehen, führt sehr schnell dazu, dass sie aus ihrem Fokus geraten.
Ich rate Ihnen daher, den Tag damit zu beginnen, die Mitarbeiter gesammelt oder einzeln zu kontaktieren. Fragen Sie nach, wie es läuft, ob Unterstützung benötigt wird und wie es dem Mitarbeiter geht. Seien Sie so präsent wie möglich!
Führen Sie Mitarbeitergespräche idealerweise über einen Videocall. Es ist wichtig, dass Sie der Mitarbeiter hin und wieder „live“ zu Gesicht bekommt. Wenn auch am Telefon Stimmungen und Gestiken wahrnehmbar sind, so sind sie doch deutlicher wahrnehmbarer, wenn sie tatsächlich gesehen werden.
Wenn Sie bislang kein regelmäßiges Meeting mit der ganzen Mannschaft geführt haben, leiten Sie es sofort ein. Die Mitarbeiter müssen einander sehen und müssen die Führungskraft besonders in unsicheren Zeiten regelmäßig „spüren“. Das sorgt auch dafür, dass Sie selbst niemanden aus den Augen verlieren, das schweißt sie mit Ihrer Mannschaft zusammen und gibt allen das Gefühl, jederzeit nötige Unterstützung zu bekommen.
Ziele kommunizieren
Ziele müssen noch klarer und deutlicher kommuniziert werden, als es bei der Präsenzarbeit der Fall ist. Sie sparen damit Zeit, sich laufend über den Stand der Erledigung zu kümmern. Je klarer das Ziel formuliert ist, desto eher können Sie sich darauf verlassen, dass es tatsächlich erreicht wird.
Achten Sie insbesondere darauf, dass Sie den Mitarbeiter mit eigenen Worten wiederholen lassen, worum es in der konkreten Arbeit geht! Versuchen Sie dabei herauszufinden, wo es Missverständnisse und Unklarheiten gibt. Bieten Sie aktive Unterstützung an, indem Sie dem Mitarbeiter deutlich und wiederholt darauf hinweisen, dass Sie jederzeit für ihn da sind und fragen Sie auch laufend aktiv nach, ob Unterstützung nötig ist.
Jahresgespräche
Jahresgespräche führen Sie in ähnlicher Weise wie Sie das bislang in der traditionellen Führung getan haben. Allerdings müssen Sie einige Details beachten.
Vereinbaren Sie eine fixe Zeit, um mit dem Mitarbeiter das Jahreszielgespräch zu führen. Fragen Sie zu Beginn des Gespräches (wie bei allen Gesprächen), ob es dem Mitarbeiter gerade gut passt.
Vereinbaren Sie unbedingt einen Videocall, wenn kein Face2Face Gespräch möglich ist. Im Jahresgespräch ist es erforderlich, Mimik und Gestik des Mitarbeiters zu sehen. Ebenso muss ihm Gelegenheit gegeben werden, ihre nonverbale Kommunikation deutlich wahrzunehmen.
Immer wieder höre ich in der Praxis, dass Mitarbeiter zum Jahresgespräch geholt werden, weil der Chef „gerade Zeit“ hat. Das Jahresgespräch dient aber dazu, auch dem Mitarbeiter Gelegenheit zu geben, Wünsche, Anregungen und Feedback abzugeben. Daher bedarf es auch einer Vorbereitungszeit für den Mitarbeiter. Vereinbaren Sie das Gespräch als mit einer Vorlaufzeit von mindestens ein bis zwei Wochen.
Bereiten Sie sich dabei genauso vor, wie Sie es in einem Face2Face Gespräch in der Vergangenheit getan hätten und gehen Sie strukturiert vor, indem Sie über vergangene Zielerreichungen, Zielvorgaben und das Befinden des Mitarbeiters sprechen. Geben Sie ihm Feedback über seine Leistungen und laden Sie ihn ein, Wünsche zu äußern. Vergessen Sie auch nicht, einen Karriereplan mit dem Mitarbeiter zu vereinbaren. Warum das wichtig ist, können Sie hier nachlesen.
Schwierige Gespräche führen
Auch schwierige Gespräche müssen unbedingt in einem Videocall durchgeführt werden. Je nach Inhalt sollten Sie auch planen, ob Sie eine zweite Person in den Call mit einbeziehen.
Achten Sie sehr genau auf die Reaktion des Mitarbeiters und stellen Sie sicher, dass er Ihre Kritik oder sonstige Botschaft auch tatsächlich vernommen hat. Vereinbaren Sie Deadlines und kontrollieren Sie diese sehr genau. Gerade dann, wenn Sie einen Mitarbeiter haben, der schwer zu führen ist, ist engmaschiger Kontakt erforderlich. Der Mitarbeiter muss deutlich wahrnehmen, dass auch in der veränderten Situation Sie der Chef sind, der die Zügel fest in der Hand hat.
Kontrolle
In Zeiten, wo die Arbeitserledigung immer mehr in Erfolgen (ROWE) gemessen wird und VOPA als neuer Führungsstil prolongiert wird, ist es nahezu schon ein Fauxpax als Coach, das Wort Kontrolle auch nur in den Mund zu nehmen.
Allerdings gibt es nach wie vor Situationen, Arbeiten und vor allem Mitarbeiter, die kontrolliert werden müssen. Nicht alle Mitarbeiter können und wollen über lange Zeiträume ohne Kontrolle arbeiten und selbst agile Arbeitsprozesse bedürfen einer Überprüfung. Die Führungskraft muss über Vorgänge im Team und hinsichtlich erreichter Teilziele Bescheid wissen.
Je häufiger Sie Ihre Mitarbeiter kontaktieren, desto weniger wird es übrigens als Kontrolle wahrgenommen. Zunehmend erkennen Mitarbeiter, dass es Ihnen tatsächlich eher darum geht, Hilfe anzubieten, präsent zu sein und über den Stand der Dinge Bescheid wissen zu wollen.
Rücksicht nehmen
Führungskräfte sind unter den momentanen Umständen extrem gefordert, auf die Situation ihrer Mitarbeiter Rücksicht zu nehmen.
Auch wenn Sie davon ausgehen, dass der Mitarbeiter sich während der Arbeitszeit auch tatsächlich mit der Arbeit beschäftigt, müssen Sie die konkrete Situation Ihrer Mitarbeiter hinterfragen.
Besonders für Mitarbeiter, die nicht über ein eigenes Arbeitszimmer verfügen, die minderjährige Kinder zu Hause beaufsichtigen müssen und deren Partner ebenfalls im Home Office sitzt, kann es sehr schwierig sein, die vereinbarten Kommunikationszeiten mit Ihnen einzuhalten.
Üben Sie vor allem Nachsicht, wenn es zu Verzögerungen kommt. Fragen Sie selbst bei vereinbarten Zeiten zu Beginn jedes Telefonats nach, ob es für den Mitarbeiter gerade wirklich passt!
Vergessen Sie auch nicht, dass die Umstellung auf das Home Office für viele Ihrer Mitarbeiter zwangsweise erfolgt ist. Wenn das Unternehmen beschließt, dass es Home-Office als weitere Arbeitsform beibehalten möchte, ist ganz besonders wichtig, auf jene Mitarbeiter einzugehen, die das Home Office nicht freiwillig wählen würden.
Hier sehe ich die große Gefahr, dass Mitarbeiter ihren Unmut eher versteckt kommunizieren werden, da sie Angst um ihre Jobs haben werden. Es ist daher Aufgabe der Führungskraft, diesen Aspekt nicht zu vergessen und auch anzusprechen. Insbesondere problematisch ist dieser Punkt, wenn die Führungskraft selbst begeisterter Anhänger der virtuellen Zusammenarbeit ist und ihr nicht bewusst ist, dass es eventuell nicht allen Teammitgliedern so geht.
Teamgefühl stärken
Je nach Art der Arbeit und der Notwendigkeit, dass sich das Team auch tatsächlich als solches fühlt, sind Sie dafür verantwortlich, Maßnahmen zu ergreifen, den Teamgeist am Leben zu erhalten. Wenn Sie das nicht tun, werden lediglich solche Kontakte aufrecht erhalten werden, wo Kollegen untereinander auch freundschaftlich verbunden sind. Die Gefahr, einzelne Kollegen im Teamgefüge zu verlieren ist besonders groß, wenn Kollegen darunter sind, die eher introvertiert sind und weniger auch auf einer freundschaftlichen Ebene verbunden sind.
Schon zu Präsenzzeiten sehen in großen Unternehmen manche Kollegen einander selten. Es ist daher Ihre aktive Aufgabe dafür zu sorgen, dass das Team nicht auf der menschlichen Ebene auseinander bricht.
Rufen Sie Rituale ins Leben. Z.B. können Sie ein gemeinsames Frühstück oder eine Nachmittagsjause einführen. Wenn Sie dann noch dafür sorgen, dass Ihre Mitarbeiter frisches Gebäck geliefert bekommen, zeigen Sie damit ganz besonders Ihre Wertschätzung. Veranstalten Sie ein gemeinsames Mittagessen, indem Sie Ihren Mitarbeitern das Essen liefern lassen oder vereinbaren Sie, gemeinsam zu kochen.
Virtuell feiern
Erfolge feiern
Leider sahen es viele Führungskräfte schon in der Vergangenheit nicht erforderlich, Erfolge zu feiern. Dies ist aber bei der virtuellen Führung besonders wichtig, weil das eine teambildende Maßnahme ist, die Kollegen abseits von regelmäßigen online Arbeitsmeetings zu sehen.
Beim virtuellen Zusammenkommen ist das Feiern allerdings noch schwieriger und aufgrund der gesperrten Gastronomie ist es auch weiterhin nicht möglich, einander live zu treffen.
Lassen Sie sich etwas einfallen! Lassen Sie z.B. der Mitarbeiterin, die ein Projekt zu Ende geführt hat, einen Blumenstrauß zukommen! Laden Sie Mitarbeiter zu einem virtuellen Gamingabend oder zu einem Treffen in einem virtuellen Escape Room ein.
Virtuell wichteln
Je nach Ihrer Situation sollten Sie mehrere Rituale einführen, um das Teamgefüge zusammenzuhalten. Insbesondere dann, wenn Ihr Unternehmen dazu übergeht, das Home Office dauerhaft einzuführen ist das nötig. Denken Sie gerade dann daran, Geburtstage und Feierlichkeiten auch in der Firma zu feiern.
Z.B. gibt es mittlerweile Möglichkeiten („virtuell wichteln„), dafür zu sorgen, dass jeweils ein Mitarbeiter für den Geburtstag eines anderen ein Geschenk besorgt. Ähnliches können Sie für Firmenjubiläen oder sonstige Feierlichkeiten organisieren. Denken Sie immer daran, es gehört zu Ihrem Job, den Teamgeist am Leben zu erhalten!
Viele größere Firmen haben es übrigens schon 2020 vorgemacht und virtuelle Firmenweihnachtsfeiern veranstaltet. Denken Sie auch im Team daran, eine Weihnachtsfeier zu organisieren. Wenn Mitarbeiter im Home Office sitzen, könnte das Gelegenheit sein, jeden erzählen zu lassen, wie er Weihnachten verbringt, was übrigens dann besonders spannend sein kann, wenn Sie in Ihrem Team verschiedene Kulturen haben.
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Fazit
Das Home Office und die virtuelle Führung sind gekommen um zu bleiben.
Führungskräfte sind daher noch stärker gefordert als bisher, auf die Befindlichkeiten und auf den Teamzusammenhalt zu achten.
Der Erfolg eines virtuellen Teams ist in hohem Maße davon abhängig, dass sich die Führungskraft ihrer eigentlichen Aufgabe, nämlich zu Führen bewusst ist und die richtigen Werkzeuge einsetzt. Sie ist dabei auch gefordert, sich neue Maßnahmen und Vorgehensweisen einfallen zu lassen.
In vielen Gesprächssituationen ist es unbedingt erforderlich, Videomeetings abzuhalten, um auch die nonverbale Kommunikation mitzubekommen.
Quellen:
1) Udo Konradt und Guido Hertel (2002) in „Management virtueller Teams“
2) Bell, B. S., & Kozlowski, S. J.(2002) in „Group and Organization Management“
3) Julia Bock-Schaffelwein in „Welches Home Office Potential birgt der österreichische Arbeitsmarkt“
4) BMWA (1998) „Telearbeit – Situation und Erwartungen österreichischer Unternehmen“
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